In der heutigen Zeit des steigenden Umweltbewusstseins ist eine starke Rückbesinnung zum Natürlichen zu verzeichnen, daher gibt es viele unter uns, die alles "Bio" lieben: Nahrungsmittel, Kleidung, Bauen, Wohnen usw. In der Tierzucht besinnt man sich auf alte, naturverbundene Haustierrassen, im Pflanzenbau auf die alten Landsorten. Und auch in der Hundezucht und -haltung gibt es Tendenzen zum Mischling oder zur Naturzucht, wie man bei Lorenz, Trumler u.a. nachlesen kann.
Auch der Mischling ist nicht mehr das, was er war, als die Basispopulation der Haushunde aus Landschlägen bestand, die eine große Erbvariabilität aufwiesen.
Was aber ist der "Biohund"? Etwas, was es (noch) nicht gibt, nämlich der bewusst wieder auf hohe Heterozygotie (erbliche Variabilität)
und damit Vitalität, Langlebigkeit und Leistung gezüchtete Rassehund!
Genetische Isolierung - die Wurzel des Übels
Die Hundezucht hat sich ja gegenüber der Nutztierzucht völlig gegensätzlich entwickelt. Bei Rindern, Schweinen, Geflügel usw. begann es zunächst ebenso, die sogenannten Landschläge wurden zu Rassen hochstilisiert. Aber dann setzte eine gegenläufige Entwicklung ein: man erzeugte Hybriden, indem man zwei oder mehr Inzuchtlinien scharf auf Leistung (und nur auf diese) selektierte, wobei aber diese dennoch durch die Inzuchtdepression zurückging. Dann wurde zwischen diesen gekreuzt, und die Nachzucht erwies sich, weil ja in hohem Grade heterozygot, als besonders vital und leistungsfähig.
Diese Erscheinung wird "Luxurieren" oder Kreuzungsvitalität, englisch "hybrid vigour" genannt, sie ist nichts anderes als die normale, natürliche Vitalität nicht ingezüchteter Tiere. "Hybriden" haben sich heute daher besonders in der Schweine- und Geflügelzucht durchgesetzt.
Die Ursache dafür ist, dass diese Kreuzungen ganz extrem heterozygot sind, d.h. dass an sehr vielen Genorten verschiedenartige Genpaare (Allele) vorhanden sind. Dadurch ist der Organismus dieser Tiere besonders gut befähigt, auf Umweltreize biologisch optimal zu reagieren, ob es sich um die Auswertung der Nahrung, die Widerstandsfähigkeit gegen Krankheitserreger, Hitze, Kälte, Leistung usw., kurz alle Anforderungen des Lebens handelt.
Bei den Hunden jedoch stand, anders als bei den Nutztieren für Milch, Fleisch, Eier usw., abgesehen von den Gebrauchshunderassen (und öfters auch nicht einmal bei diesen), nicht irgendeine Leistung, sondern eben das, was als Schönheitsideal betrachtet wird, also der Formwert bzw. der Standard im Vordergrund. Verständlich, denn einheitlich standardgemässe Hunde erzielt man am leichtesten durch Inzucht und Selektion auf Konformität mit dem Standard.
Nun wäre Inzucht u. U. länger durchzuhalten, wenn gleichzeitig scharf oder sogar ausschließlich auf Gesundheit und Vitalität selektiert wird, wie es da und dort bei Gebrauchshunden der Fall ist (ein Beispiel dafür ist der Alaskan Husky, der nur auf die Vitalitätsmerkmale Schnelligkeit und Ausdauer gezüchtet wird). Dennoch kommt man auch hier auf die Dauer nicht ohne "frisches Blut" aus, denn die Anhäufung schädlicher rezessiver Gene für quantitative Merkmale, die sich gegenseitig beeinflussen und steigern und so die Vitalität mindern bzw. erst im Zusammenwirken die meisten Erbkrankheiten (z. B. HD = Hüftgelenkdysplasie) hervorrufen, kann man so nicht verhindern.
Die frühere Meinung, Inzucht plus Selektion auf Gesundheit sei unschädlich, hat sich als schwerer Irrtum erwiesen, denn multifaktorielle Erbkrankheiten und Defektgene treten so im Gegensatz zu einfach rezessiven dadurch nicht ans Tageslicht und werden im Gegenteil immer mehr angehäuft.
Alte Landrassen, die seit jeher nur auf Leistung gezüchtet wurden, sind gesundheitlich viel besser dran. Wenn sie allerdings selten werden, tritt Inzucht unvermeidlich auf und sie sind zunehmend gefährdet. Dann ist die Einkreuzung einer nah verwandten Rasse mit nachfolgender Rückzüchtung zur Erhaltung der Lebenskraft unvermeidlich!
Als daher vor einigen Jahren ein Wissenschaftler in Holland anregte, man solle doch nach dem Beispiel der Nutztierzucht auch beim Hund Kreuzungen durchführen, erntete er empörte Kommentare. Inzwischen aber sind die Rufe nach einer Trendwende in der Kynologie unüberhörbar geworden, wenn man auch die Rassen ganz gewiss nicht aufgeben kann und will.
Man muß die Heterozygotie, soweit irgend möglich, züchterisch eben innerhalb der Rassen erreichen!
Von den etwa dreißigtausend Genen des Haushundes beeinflussen wir bei der Zucht auf Formwert vielleicht dreißig. Liegen diese durch intensive Selektion und Linienzucht homozygot vor, sehen die Zuchtprodukte einheitlich "rassetypisch" aus. Allerdings haben wir dabei auch unvermeidlich viele andere Gene, die damit nichts zu tun haben, auch in die homozygote Form gebracht, und darunter befinden sich nun viele schädigende Allele, sei es solche von Erbkrankheiten einfach rezessiver, vor allem aber polygener Natur (wie z.B. HD) oder auch "nur" solche, die die Vitalität, Fruchtbarkeit, das Wachstum, das Wesen, bei Gebrauchshunden die Leistung und Widerstandsfähigkeit usw. beeinträchtigen.
Wie wir wissen, ist aber für ganze Rassen die "Inzucht ohne Inzucht" (nach Prof. Schleger) praktisch noch verheerender, womit die Verwendung zu weniger Deckrüden gemeint ist. Die sogenannte "genetisch effektive Population" ist nämlich nie größer als viermal die Zahl der Rüden, auch wenn diese noch so viele Hündinnen decken (z.B. ein Rüde auf theoretisch unendlich viele Hündinnen - effekte Population ist nur ca. 4!). Da nun Inzucht und - wie die schwedischen Kynologen es nennen - die "Matadorzucht" (übermäßige Verwendung weniger Champions in einer Rasse) bei den meisten unserer Rassen seit langer Zeit ausgeübt wird, stieg der Inzuchtfaktor allmählich immer mehr an. Der notwendige Grad an Heterozygotie (erbliche Vielfalt) wird dadurch bereits vielfach unterschritten, Erbkrankheiten brachen - und brechen - aus. Was kann man dagegen tun?
Die vordringlichsten Maßnahmen sind die unter 1, 2 und 7 genannten. Wenn der Fall nicht durch zu starkes Auftreten von Erbkrankheiten bei einer Rasse mit sehr wenig Würfen schon kritisch ist, müsste es damit allein gelingen - natürlich unter gleichzeitiger strenger Selektion -, die Widerstandsfähigkeit und Vitalität der Zuchtprodukte einer Rasse zu normalisieren.
Während man in Schweden heute insbesondere die Anzahl der verwendeten Zuchtrüden durch Bewilligung nur einer limitierten Zahl von erzeugten Würfen je Vatertier erhöhen will, führt man in Holland populationsgenetische Grundregeln in die Zuchtordnungen für jede Rasse ein. In Australien wieder wird die möglichst blutsfremde Paarung propagiert. Es besteht kaum ein Zweifel, dass - im Interesse der Zukunft unserer Hunde - alle erwähnten Maßnahmen die züchterische Strategie der Zukunft darstellen werden. Bei - rechtzeitiger und konsequenter - Anwendung der geschilderten Maßnahmen, die gewiss ein großes Maß an Umdenken bedeuten, würden jedoch - außer in sehr kritischen Fällen - Erbgesundheitsprobleme wieder bedeutungslos werden! Jetzt allerdings sieht es so aus, dass nach einer französischen Erhebung 20 % aller Rassehunde erbliche Defekte aufweisen, eine alarmierende Situation!
Der Rassehund ist heute nicht nur durch die verschiedenen Erbkrankheiten bedroht, sondern auch durch die Inzuchtdepression, die die Widerstandskraft, Fruchtbarkeit, Lebensdauer, Leistungsfähigkeit usw. vermindert. Der Immungenkomplex MHC, der uns vor Tausenden verschiedenen Krankheitserregern schützen kann, wird nicht nur in seiner Funktion beeinträchtigt, sondern spielt auch in manchen Rassen zunehmend "verrückt", d.h. es treten verstärkt Autoimmunkrankheiten auf.
Diese Tiere wären ja gesünder, vitaler, leistungsfähiger und langlebiger, wären also auch bezüglich Tierarzt- und "Wiederbeschaffungskosten" "rentabler" und somit wertvoller.
Auch sie würden natürlich Defektgene beherbergen, aber in geringer Zahl, und je nach der Ausgangslage doch soweit dominant "überdeckt", dass sie sich nur selten manifestieren könnten. Es ist anzunehmen, dass dann viele potentielle Hundehalter, die heute Mischlinge vorziehen, für solche Rassehunde "aus Qualitätsbiozucht" Interesse hätten und dafür auch den entsprechend höheren Preis bezahlen würden. Wenn dann einmal Heterozygotie eine Voraussetzung zur Zulassung bei Ausstellungen wäre, dann bräuchte man für die Zukunft des Rassehundes - in dieser Hinsicht jedenfalls - nicht mehr zu fürchten, wenn also Hundezucht generell wie in alten Zeiten "Biohundezucht" bedeuten würde.
Eine Hunderasse ist als eigenständiges Lebewesen zu betrachten, das besonders durch zu kleine Populationen und zu wenige Zuchttiere, besonders Rüden, bedroht ist. Wer seinen Championrüden voll Stolz unbegrenzt Hündinnen decken lässt, schadet der Rasse, denn dessen unvermeidliche Defektgene verbreiten sich und können so im schlimmsten Fall das erzeugen, was man euphemistisch "Rassendisposition" zu dieser oder jener Krankheit nennt. Daneben aber steigt im schlimmsten Fall der Inzuchtkoeffizient der Rasse, da die Nachkommen alle mindestens Halbgeschwister sind. Dieses Vorgehen aber ist unverantwortlich, denn eine Hunderasse ist ein Gemeingut, das ein Züchter sozusagen treuhändig für seine Ziele benützt und möglichst in gleicher Qualität - oder besserer - an die Nachwelt vermitteln müsste.
Für den Altdeutschen Hütehund bedeutet das, dass man notfalls die Schläge der Schafhunde miteinander kreuzen müßte, bevor die einzelnen Schläge zu stark ingezüchtet werden. Durch gezieltes Rückzüchten könnte man trotzdem das typische Aussehen der einzelnen Schläge erhalten.
Beim Kuhhund allerdings sieht die Problematik so aus, dass bereits viel zu viel hineingekreuzt wurde und kaum noch reine Vertreter dieses Schlages vorhanden sind. Um das typische Hüteverhalten dieser Hunde zu erhalten, kann nicht mit den Schafhund-Schlägen gekreuzt werden.
Ansonsten gilt für die Zucht der Altdeutschen Hütehunde:
Da sie vorwiegend noch wie in alten Zeiten nach Leistungs-kriterien gezüchtet werden, ist die Zucht der Altdeutschen
Hütehunde "Biohundezucht".
Die Vergangenheit ist die Zukunft der Hundezucht.